„Wer sich bei vollem Bewußtsein, mit 120 Kmh Kopf voraus, wenige Zentimeter über dem
Eis auf einem besseren Bügelbrett mit Griffen ohne Bremsen wie ein menschliches Torpedo in
einen 1500 Meter langen Eiskanal stürzt, muss völlig verrückt sein.“ Allerdings, wenn ich bei
diesem Tempo irgendwo mit den Zähnen anschlage, muss ich mich für die nächsten Monate
ohnehin flüssig ernähren. Doch in Wahrheit ist Skeleton alles andere als gefährlich.
Abgesehen von ein paar blauen Flecken passiert nur wenig und auch im Falle eines Sturzes
habe ich aufgrund des tiefen Schwerpunkts die Möglichkeit, mich am Schlitten fest zu halten
und wieder auf das Gerät zu ziehen. Sollte dies nicht funktionieren und man verliert sein
Gerät, fährt es alleine die Bahn weiter, und ich kann nach einer Rutschpartie im Eiskanal
mehr oder weniger unbeschadet aus der Bahn steigen. Schlimmstenfalls ist mein Anzug
aufgerissen. Doch woher kommt diese eigenartige Sportart, bei der man sich bäuchlings
liegend, einer Kaulquappe ähnlich, dem Rausch der Geschwindigkeit aussetzt? Wer einen
tieferen Einblick von den Ursprüngen meines Sports bis in die Gegenwart machen möchte,
den lade ich auf den nächsten Seiten auf eine interessante Lesereise ein.
Sucht man nach den Ursprüngen des Skeletonsports, bedarf es einer Zeitreise zurück in die
Anfänge der Nordamerikanischen Ureinwohner. Die Indianer entwickelten Strategien, um in
den schneereichen Wintern ihre Zelte und ihre Jagdbeute besser transportieren zu können. Da
Ziehen offensichtlich einfacher als Tragen ist, wurden Birkenäste und Rindenstücke zu einer
Plattform zusammengebunden und das Holz an einem Ende zu einem Bogen gekrümmt.
Diesen Schlitten nannten sie „otobanask“, aus dem später das kanadische „toboggan“
abgeleitet wurde. Erst die Coughnawaga, die damals ihre Zelte in der Nähe von Ontario
aufgeschlagen hatten, entdeckten das Schlittenfahren als eine Art Freizeitvergnügen. Wie so
Vieles übernahmen die weißen Einwanderer diese Idee, perfektionierten sie und bald darauf
wurde 1870 der erste Club – der „Montreal Toboggan Club“ – gegründet. Die Clubmitglieder
bauten jeden Winter auf der südwestlichen Seite des Mount Royal eine 90 Zentimeter breite,
mehrspurige Eisbahn, ohne Kurven mit einer steil abfallenden 20 Meter langen „Startbahn“,
die dann noch weitere 365 Meter in die Ebene hinaus verlief. Schneefall, Wasser und
Minusgrade ließen so über Nacht eine Natureisbahn entstehen.
Parallel dazu waren auch die erfindungsreichen Einheimischen in den schneereichen Ländern
des Alten Kontinents nicht gerade auf der berühmten „Brennsupp’n daher geschwommen“
und benutzen ebenfalls schon früh Fortbewegungsmittel, die das Vorwärtskommen im hohen
Schnee erleichterten.. Speziell in der heutigen D,A,CH Region entwickelten sich
Hörnerschlitten und Rodel als Transportmittel. Heidi und Peter sei Dank, dass diese von den
Kindern ausgehend als Freizeit- und Sportgerät Verbreitung fanden. St. Moritz und Davos
waren schon Mitte des 19. Jahrhunderts bekannte Höhenkurorte. Viele tuberkulosekranke, aus
den britischen Kronkolonien und Großbritannien, kamen in die Berge, um sich von ihren
Krankheiten kurieren zu lassen. Beide Orte hatten im Sommer viele Gäste, aber mit dem
Einzug des Winters leerten sich auch die Kurorte. Wintersportliche Wettkämpfe waren damals
in der Schweiz ein „no go“.Einer Legende zufolge soll Johannes Badrutt, der Besitzer des
Kulm-Hotels in St. Moritz im Jahre 1864 mit ein paar Engländern gewettet haben, dass es im
Engadin im Winter genauso viel Sonne habe, wie im Sommer und dass sie weder Hut noch
Jacke anzuziehen brauchten. Die Engländer nahmen die Wette an und verbrachten den Winter
in St. Moritz. Und das Wetter war tatsächlich so, wie es ihnen J. Badrutt versprochen hatte. In
den folgenden Jahren kamen immer mehr englische Touristen in die Bündener Berge, wobei
es den sportlich veranlagten und wettsüchtigen Inselbewohnern bald zu langweilig wurde, um
den ganzen Tag nur an der Sonne zu sitzen.
John Adington Symonds, ein begeisterter Schlittenfahrer, wurde von seinem Arzt zur Kur
nach Davos geschickt. Als er sah mit welcher Begeisterung die einheimischen Buben